Interview betreffend der Erweiterung des Basler Kunstmuseum
Basler Kunstmuseum: «Weiterhin in der Topliga spielen»
Von Christoph Heim.
Nach der Stiftung des Burghofs durch Maja Oeri (baz vom 30.8.) äussern sich der Präsident der Kunstkommission Peter Mosimann (61) und der Direktor des Kunstmuseums Bernhard Mendes Bürgi (55) über den Neubau und die Umstrukturierungen, die geplant sind.
Ursprünglich wollte die Regierung die Unterzeichnung des Schenkungsvertrags mit Maja Oeri noch vor den Sommerferien präsentieren. Jetzt hat es bis in den späten August gedauert.
baz: Herr Bürgi, war der Vertrag derart kompliziert, dass man Monate um seinen Inhalt feilschen musste?
Bernhard Mendes Bürgi: Die Donatorin wollte, dass das Projekt mit einem gewissen Tempo vorangetrieben wird. Der Vertrag enthält auch Auflagen. Wir brauchen bis Ende 2010 rechtskräftige Beschlüsse der zuständigen politischen Behörden. Im Sommer 2010 muss das Geschäft also in den Grossen Rat, der über die bauliche Lösung und die Finanzierung des Baus sowie die erhöhten Betriebskosten zu entscheiden hat. Der Neubau soll 2015 eröffnet werden. Das Museum begrüsst diese zeitlichen Vorgaben. Wir freuen uns sehr auf den Erweiterungsbau.
Was soll der Erweiterungsbau dem Kunstmuseum bringen?
Bürgi: Das Kunstmuseum Basel verfügt über eine grossartige Kunstsammlung. Es genügt aber nicht, einfach diese Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um überhaupt wahrgenommen zu werden in unserer eventlastigen Zeit, muss man als Kunstmuseum auch das einmalige Ereignis der Sonderausstellung anbieten. Gegenwärtig machen wir unsere Ausstellungen immer in unseren Sammlungssälen, die wir dafür ausräumen. Das soll sich nun ändern: Für die grossen Sonderausstellungen brauchen wir grosszügige Räumlichkeiten (vgl. Kasten «Erweiterungsbau» auf Seite 9).
Gehen Sie davon aus, dass der Erweiterungsbau dem Kunstmuseum mehr Publikum bringen wird?
Bürgi: Ja, wenn wir die attraktiven Ausstellungen machen können, die in diesem Neubau möglich sein werden. Das Kunstmuseum Basel spielt in einer Topliga. Heute machen alle Topmuseen auch Topausstellungen. Um in dieser Liga weiterzuspielen, brauchen wir nicht nur den Erweiterungsbau, sondern auch zusätzliche Aufseher, Techniker, Kuratoren. Wir haben im Vergleich zu den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts in den letzten acht Jahren die Ausstellungstätigkeit forciert, obwohl die Strukturen für ein Sammlungsmuseum ausgelegt sind. Wenn wir jetzt diesen Erweiterungsbau bekommen und ihn adäquat bespielen wollen, dann braucht es unbedingt mehr Personal. Peter Mosimann: Wir möchten das Kunstmuseum so einrichten, dass es sich weit in das 21. Jahrhundert hinein als erstklassiges Haus positionieren kann. Bürgi: Früher hatte das Kunstmuseum seine Bedeutung ohne jedes Marketing. Heute ist das anders. Der Wettbewerb ist international extrem gross. Wir müssen unsere Marketing- und PR-Abteilung vergrössern. Wir suchen jetzt schon einen Managing Director.
Wie ist dieser Managing Director in der Hierarchie positioniert? Es war die Rede von einer gleichberechtigten Doppelspitze.
Mosimann: Der Managing Director ist mit dem künstlerischen Direktor Mitglied der Geschäftsleitung. Der künstlerische Direktor führt den Vorsitz. Im heutigen Business-Deutsch ist er CEO. Wenn eine Uneinigkeit besteht, und es gibt Grenzbereiche wie etwa die Werbung, dann hat der künstlerische Direktor das Sagen. Es ist also keine gleichberechtigte Doppelspitze. Darüber hinaus ist das Wirken des künstlerischen Direktors durch die Kunstfreiheit geschützt.
Wer schlichtet, wenn sich beide nicht einig werden?
Bürgi: Im Falle des Kunstmuseums wäre es der Ressortleiter Kultur und in letzter Instanz der Vorsteher des Erziehungs- und Kulturdepartements, ab nächstem Jahr des Präsidialdepartements.
Wird der Managing Director zuständig sein für den ganzen Personalbereich?
Mosimann: Nein. Die Auswahl der Konservatoren gehört klar in den Entscheidungsbereich des Direktors. Die Umsetzung der Verträge ist dann Sache des administrativen Direktors.
Nehmen wir den Fall, dass der künstlerische Direktor zwei hochkarätige Ausstellungen von primär kunsthistorischem Interesse plant und eine publikumsträchtige Ausstellung. Der Managing Director wird doch das Geld aus den Spezialitätenausstellungen rausziehen und in die Publikumsausstellung stecken. Wie geht man in einem solchen Konfliktfall vor?
Bürgi: Ich denke, die Chemie muss zwischen diesen beiden Direktoren stimmen. Alles andere hilft dem Museum wenig. Wenn es zu einem Konfliktfall wie dem von Ihnen geschilderten kommt, dann will ich das letzte Wort haben. Mosimann: Im Theater ist es ähnlich: Ein Intendant, der nur Opern aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielen will, wird sehr bald vom kaufmännischen Direktor darauf hingewiesen, dass das Budget einen solchen Spielplan nicht zulässt. Bürgi: Die Fondation Beyeler macht im Jahr drei Ausstellungen, die tendenziell völlig an der Publikumsfront sind. Wir dagegen haben zwei Häuser. Das Museum für Gegenwartskunst hat Laborcharakter und macht avantgardistische Ausstellungen. Im Kunstmuseum machen wir regelmässig Ausstellungen von kunsthistorischem Interesse, die aber auch breite Bevölkerungsschichten ansprechen. Nächstes Jahr gibt es mit van Gogh einen Blockbuster. Dann haben wir das Kupferstichkabinett. Dieser Mix gehört zu unserer Identität.
Wie sehen Sie das Verhältnis zu einer Kunstkommission, die mit mehr Macht ausgestattet ist?
Bürgi: Ich sehe diesen Bestrebungen gelassen entgegen. Schon jetzt wähle ich Kuratoren in enger Zusammenarbeit mit der Kunstkommission. Mit den Präsidenten, früher Alex Fischer und heute Peter Mosimann, arbeite ich sehr intensiv zusammen. Wenn das in Zukunft definierter wird, dann ist das nur eine Festschreibung des Status quo. Ein Haus dieser Grössenordnung braucht ein gutes Gremium.
Wie sehen Sie die Zukunft der Kunstkommission, Peter Mosimann?
Mosimann: Es stehen mehrere, teilweise komplexe Probleme an. Ich strebe eine Verschlankung der Gremien an. Wir haben die Kunstkommission, die Stiftung für das Kunstmuseum, die zentral ist für das Fundraising, das Patronatskomitee und die Freunde des Kunstmuseums. Wir haben mehrere Gremien, die Grossartiges geleistet haben, aber untereinander zu wenig kommunizieren. Es bestehen Doppelspurigkeiten. Ich habe zuerst mal gebrochen mit der Tradition, dass der Präsident der Kunstkommission auch Präsident der Stiftung ist. Markus Altwegg ist jetzt Präsident der Stiftung und zugleich Mitglied der Kommission. Wer nach aussen geht und Geld für das Museum beschafft, der muss Präsident der Stiftung sein. Ich möchte bei den Neuwahlen in die Kunstkommission noch einen profilierten Unternehmer als Mitglied aufnehmen und eine Persönlichkeit aus dem Gebiet des Marketings. Sodann sind sicherlich strukturelle Aufgaben zu lösen.
Soll diese Kunstkommission mehr Rechte bekommen?
Mosimann: Die Kunstkommission hat im August die Strukturen analysiert. Sie hat mich beauftragt, ihr im ersten Quartal 2009 zwei Modelle im Entwurf vorzubereiten, zum einen das heutige System als Dienststelle im Departement, aber versehen mit zusätzlichen Kompetenzen der Kunstkommission, und zum andern das Modell der Integration des Betriebs des Kunstmuseums in eine öffentlich-rechtliche Anstalt. Als Präsident der Kunstkommission tue ich dies im Austausch mit Regierungsrat Christoph Eymann.
Wie stehen Sie zur Idee, das Museum in eine Stiftung zu überführen?
Mosimann: Ich finde die Erwägungen der Studie von Alex Fischer und René Frey schlüssig (baz vom 26. 4. 2008). Der Nachteil: Die Studie beschränkt sich auf die betriebswirtschaftliche Analyse. Eine wesentliche kulturpolitische Dimension wird aber ausgeklammert. Ausserdem lässt sich manche Anregung auch ohne Stiftung realisieren. Die Leitung des Museums kann man auch ohne Bildung der Stiftung stärken. Wir suchen schon jetzt einen Managing Director für das Kunstmuseum. Ich möchte über die kulturpolitischen Aspekte hinaus auch noch die Frage der Trägerschaft einbringen. Das Kunstmuseum ist eine Herausforderung für diesen Kanton. Wir möchten darum eine Struktur für das Kunstmuseum, die die Region, insbesondere den Kanton Baselland, in die Trägerschaft einbezieht, ähnlich wie bei der Universität. Auch das Kunstmuseum könnte als öffentlich-rechtliche Anstalt organisiert werden. Der Betrieb des Kunstmuseums wird jedoch kaum von einer privaten Stiftung getragen werden.
Im Zusammenhang mit den Fragen zur Rechtsform des Kunstmuseums ist ja auch immer von Public-Private-Partnership die Rede. Hat die öffentlich-rechtliche Anstalt, wie Sie sie nach der einen Variante für das Kunstmuseum planen, auch Platz für solche Ideen?
Mosimann: PPP tönt gut. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind aber nicht gegeben. PPP setzt voraus, dass juristische Personen bedeutende Beträge in eine Institution wie das Kunstmuseum einbringen können, Geld, das sie notabene von den Steuern abziehen. Das ist aber nach heutigem Steuerrecht nur eingeschränkt möglich. Wenn man nach amerikanischem Muster den Staat in der Kultur entlasten will, dann muss man die Steuergesetzgebung vorher ändern. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass Kultur und Bildung Staatsaufgaben sind.
Wie wollen Sie nach Heuwaage-Nein und Stadtcasino-Nein das Volk von der Kunstmuseums-Erweiterung überzeugen?
Mosimann: Ich bin zuversichtlich. Basel war in Kulturabstimmungen immer positiv. Ich denke an die Picasso-Abstimmung 1967, aber auch an zwei, drei Theaterabstimmungen, die positiv ausgingen. Die Bevölkerung ist leichter für eine Investition ins Kunstmuseum zu gewinnen als für eine Investition ins Konzertwesen. Ins Museum gehen Menschen aus verschiedenen Schichten. Der Konzertbetrieb der klassischen Musik wendet sich jedoch, wenngleich unfreiwillig, an eine definierte Bevölkerungsschicht. Bürgi: Städtebaulich ist der Ort, den wir für die Museumserweiterung ins Auge gefasst haben, weniger exponiert als das Casino auf dem Barfüsserplatz. Ausserdem gilt der jetzige Burghof nicht als schützenswertes Gebäude. Die Zonenordnung verbietet uns auch, dort einen Turm zu bauen.
Das Kunstmuseum ist dem Anspruch nach ein Bürgermuseum. Da stimme ich Ihnen zu. Aber sind Sie denn schon da, wo Sie sein müssen, um die Abstimmung zu gewinnen?
Bürgi: Wir haben einen Spannungsbogen vom 15. bis zum 21. Jahrhundert. Das erzeugt durchaus auch Schwellenängste. Wir sind uns bewusst, dass wir solche Schwellenängste noch mehr abbauen müssen. Wir können unsere Vermittlungsanstrengungen intensivieren. Zugleich sind viele Bilder im Kunstmuseum natürlich nicht geeignet für den raschen Konsumgenuss. Der tote Christus von Holbein ist nun einmal ein eminentes Werk, das durchaus auch als bedrohlich empfunden werden kann. Kunst fordert auch heraus, das soll so bleiben.
Bei der Abstimmung werden auch jene Kreise mitentscheiden, die nicht ins Kunstmuseum kommen.
Bürgi: Basel ist nicht überall Weltklasse. Mit dem Kunstmuseum kicken wir aber eindeutig in der Champions League. Ich glaube, dass der Basler das schätzt und unterstützen möchte.
Nochmals der Vergleich zum Stadtcasino: Die Trägerschaft des Konzerthauses war etwas überaltert. Erst in den letzten Monaten vor der Abstimmung zog man noch jüngere Exponenten des kulturellen Basel hinzu. Da suchte ein Vorstand aus dem 19. Jahrhundert den Sprung ins 21. Jahrhundert. Wenn ich das Kunstmuseum anschaue, sind unmittelbar vor dem Sprung ins 21. Jahrhundert doch ganz eminente Probleme in der Führungsstruktur aufgebrochen. Können Sie die kitten bis in ein, zwei Jahren?
Mosimann: Man kittet, wenn etwas zerbrochen ist. Ich sehe aber keine Scherben. Richtig ist, dass wir an der Struktur arbeiten, um dieses erstklassige Museum national und international noch besser weit ins 21. Jahrhundert hinaus zu positionieren.
Das Stadtcasino wurde geplant, ohne dass die Stadt ein Konzept in Sachen Konzertsälen erstellt hätte. Wie sehen Sie, Herr Bürgi, die konzeptionelle Einbettung des Burghofs in die Museumslandschaft?
Bürgi: Das Kunstmuseum ist die wichtigste Institution für Kunst in der Stadt. Wir haben eine Spannweite vom 15. bis ins 21. Jahrhundert. Wir haben die alten Meister, das 19. Jahrhundert, das 20. Jahrhundert, das Kupferstichkabinett. Da sind wir konkurrenzlos. Im Museum für Gegenwartskunst zeigen wir junge und experimentelle Kunst. Damit treten wir in Konkurrenz zur Kunsthalle. Aber das ist hochinteressant. Bei der Komplexität der Gegenwartskunst wäre es eher problematisch, wenn nur eine Institution in der Stadt das Meinungsmonopol hätte. Was die Fondation Beyeler betrifft, da gibt es Überschneidungen in der klassischen Moderne. Aber die grossartigen Bestände gerade in der klassischen Moderne geben uns die Legitimation, diese Kunst zu pflegen und mit Sonderausstellungen hervorzuheben. Ich denke: Konkurrenz belebt das Geschäft!
Wäre es in einer derart kleinen Stadt nicht sinnvoll, die Kräfte zu bündeln, gewisse Unternehmensbereiche zusammenzulegen oder gar zu fu-sionieren?
Bürgi: Wie gesagt, die Konkurrenz bringt Lebendigkeit in die Stadt. Ich halte nicht viel von Fusionsplänen. Andererseits stimme ich Ihnen zu, wir haben in Basel viele Institutionen. Es braucht nicht noch mehr. Zurzeit arbeiten die verschiedenen Kunstinstitute aber ganz gut zusammen, das heisst, wir führen weder Grabenkriege noch jagen wir uns die Sponsoren ab.
Was halten Sie davon, wenn der Grosse Rat die zusätzlichen Betriebsmittel fürs Kunstmuseum einfach der Fondation Beyeler wegnähme oder dem Theater?
Bürgi: Das ist für mich ein verheerendes Szenario. Es muss umgekehrt gehen: Die Burghof- erweiterung muss aus einem Bekenntnis zur Kulturstadt Basel kommen und darf nicht die Folge einer Umverteilung im Kulturkuchen sein!
Quelle: bazonline 12.9.08