In Friedrichshain wird es dichter
VON MARTINA VETTER
Wohin das Auge schaut, drehen sich im Berliner Stadtteil Friedrichshain die Kräne. Wie viele Wohnungen derzeit in Planung oder Realisierung sind, weiß nicht einmal das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ganz genau. Klar ist nur, dass die Bautätigkeit rege zugenommen hat. Zu den Projekten, die gerade realisiert werden, zählen das Bänsch-Quintett, My Berlin und das Parkquartier Dolziger mit mehr als 270 Wohnungen. Einige größere Vorhaben werden zurzeit von Bauwert, der CG-Gruppe und anderen vorbereitet.
Der Berliner Senat redet seit langem über einen Baulückenkatalog, in dem potenzielle Wohnbaugrundstücke erfasst werden sollen. Würden Projektentwickler und Investoren darauf warten, könnte es lange dauern, bis tatsächlich Wohnungen gebaut werden. Umtriebige Entwickler schauen sich natürlich selber um und recherchieren permanent nach freien Grundstücken und Baulücken.
Eine solche Lücke, die noch vom Zweiten Weltkrieg zeugt, hat das zur Otto-Gruppe gehörende Unternehmen evoreal in der Bänschstraße 85 entdeckt. Während dort nur Platz für ein Wohnhaus ist, sollen, wie der Name des Projekts sagt, insgesamt fünf Häuser im Bänsch-Quintett realisiert werden. Das Grundstück erstreckt sich im rückwärtigen Teil bis zur Dolziger, Ecke Pettenkoferstraße und bietet dort Platz für die weiteren geplanten Neubauten.
Frank Stern, Geschäftsführer von evoreal war überrascht, dass sich mitten in Berlin noch solche Flächen finden lassen. Für den Hamburger Projektentwickler ist es das erste Vorhaben in der Hauptstadt und der Erwerb des ehemals gewerblich genutzten Grundstücks erscheint ihm rückblickend umso mehr als Glücksfall, weil die Grundstückspreise im Samariterkiez allein seit dem Erwerb der Fläche bis zum Verkaufsstart im vergangenen Sommer um 15% gestiegen sind. Im April dieses Jahres hat Stern die Bagger auf dem Grundstück anrollen lassen und mit dem Aushub der Baugrube für das Bänsch-Quintett begonnen. Insgesamt sollen 82 zwischen 60 und 135 m2 große Wohnungen entstehen, die für Preise zwischen 2.600 und 4.200 Euro/m2 zu haben sind. Die günstigste Einheit kostet 175.000 Euro, die teuerste, eines der Penthäuser, 533.500, der Durchschnittspreis liegt bei moderaten 3.200 Euro/m2. Bisher sind 43 Wohnungen in den fünf Häusern verkauft, die vom Berliner Architekten Stefan Höhne entworfen worden sind.
Die Eigentumswohnungen des Projekts My Berlin sind ein Renner
Quasi gleich nebenan konkurriert das Parkquartier Dolziger um Kundschaft für Eigentumswohnungen. Seinen Namen verdankt das Projekt des Bauträgers Argomex, Berlin, einer als Minipark gestalteten, 1.000 m2 großen Freifläche im Hofbereich. Das Parkquartier befindet sich bereits im Bau und soll noch in diesem Jahr fertig werden. Es schließt eine Lücke an der Dolziger Straße und umfasst drei Häuser mit einer Gesamtnutzfläche von 5.000 m2. Verkaufen ließen sich die Wohnungen und Penthäuser wie geschnitten Brot, obgleich die Preise mit 2.880 bis 4.480 Euro/m2 etwas ambitionierter sind als beim später gestarteten Bänsch-Quintett. Nur die beiden als Townhäuser konzipierten zweigeschossigen Einheiten, die für 3.480 Euro/m2 verkauft werden sollen und 185 bzw. 202 m2 Nutzfläche bieten, haben noch keinen Erwerber gefunden: "Beide Townhäuser verbinden jeweils die Nutzungsbereiche Wohnen und Gewerbe miteinander, weshalb sie im Vergleich zu Wohnungen einen kleineren potenziellen Kundenkreis ansprechen", erklärt Oliver Hirt, Geschäftsführer von Argomex.
Das dritte Friedrichshainer Wohnbauprojekt, bei dem sich eifrig die Kräne drehen, ist My Berlin, das der niederländische Bauträger Kondor Wessels realisiert. 35 Mio. Euro fließen in das Vorhaben auf einem ehemalige Brauereigelände an der Pufendorferstraße/Matthiasstraße, südlich vom Volkspark Friedrichhain gelegen. In zwei Bauabschnitten werden 104 Eigentumswohnungen und 50 Mietwohnungen geschaffen. Den Bautenstand können sich die künftigen Bewohner der sieben Stadthäuser auf einer Live-Webcam im Internet anschauen. Das Motto: Wir bauen, Sie schauen.
Der Grundstein für das Projekt wurde im vergangenen November gelegt und damals wurde auch ein 90 m2 großer Showroom zur Vermarktung der Einheiten eingerichtet. Den hätten sich Kondor Wessels und die mit dem Vertrieb beauftragten Makler von Ziegert fast schenken können, denn schon bei der Grundsteinlegung waren 60% der zwischen 44 und 133 m2 großen Einheiten verkauft. Aktuell sind noch acht Wohnungen im Projekt zu vergeben, was nicht zuletzt an den vergleichsweise günstigen Preisen liegen mag: Im Erdgeschoss geht es zwar bei 2.700 Euro/m2 los, bis hinauf zum Dach klettert der Quadratmeterpreis aber nur auf 3.800 Euro. Der erschwingliche Kaufpreis und die Lage im Trendbezirk Friedrichshain weckte bei zahlreichen jungen Käufern das Interesse, beobachtet Nikolaus Ziegert, Chef des gleichnamigen Maklerunternehmens: "In My Berlin und im Bänsch-Qunitett sind die Hälfte der Interessenten unter 40 Jahre alt."
Über 1.000 Wohnungen werden in Friedrichshain gebaut
Die guten Verkaufsaussichten für Eigentumswohnungen, aber auch auf dem Mietwohnungesmarkt haben längst auch andere Entwickler zu Neubauplänen beflügelt. 30 Projekte mit insgesamt 1.650 Wohnungen zählt der im Februar vorlegte Wohnungsmarktbericht von CBRE/GSW für den gesamten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. In der Pipeline aber dürften deutlich mehr Wohnungen sein, wobei ein Großteil der Projekte in Friedrichshain realisiert wird, wo es mehr Freiflächen gibt als im Stadtteil Kreuzberg. Das vermutlich größte Vorhaben plant die Bauwert mit um die 500 Einheiten in Friedrichshain, den genauen Standort will das Unternehmen zurzeit noch nicht preisgeben. Projektentwickler Archigon will 132 Wohnungen im Vorhaben Polygon Garden, gleich in der Nachbarschaft von Bänsch-Quintett und Parkquartier Dolziger, in der Pettenkoferstraße schaffen. Weitere 142 Wohnungen hat Sanus an der Rigaer Straße 18/19 in der Pipeline. Nicht weit entfernt, in der Rigaer Straße 71-73a, will die CG-Gruppe bauen. Hier sollen allerdings ausnahmslos Mietwohnungen entstehen, um die 130 an der Zahl. Zum Projekt gehören auch 2.600 m2 Gewerbefläche im Bestand, die "unter Einbeziehung der jetzigen Mieter entwickelt werden soll, um die Friedrichhainer Mischung zu erhalten", wie CG-Geschäftsführer Jürgen Kutz es formuliert.