Beim Blockrand geht es nicht nur um die geschlossene Bebauung zur Straßenkante, die im städtischen Gefüge für klar ablesbare Strukturen und Zusammenhänge sorgt (wo soll hier der Nachteil sein?), sondern speziell auch um die KLARE Trennung zwischen Privat und Öffentlich. Das entspricht dem Naturell des Menschen, der sich diese Strukturen aufgebaut hat. Auch höher wohnen zu wollen ist diesem Umstand geschuldet. Die Privatsphäre erhöht sich mit der Distanz, und damit auch die Trennung von Privat und Öffentlich. Klarerweise kann das auch destruktive Züge annehmen, und zwar dann, wenn sich Privat und Öffentlich zu weit entfernen. Den privaten Innenhof (der sich nun mal nur im Blockrand realisiert lässt) kann man in einer Großstadt nicht nur als besonders wertvolles Gut sondern auch als einzigartigen Kompromiss bezeichnen. Eine größere Anzahl an Parteien/Menschen können sich ein wertvolles Stück Freifläche (in der Großstadt naturgemäß Mangelware) teilen, dabei wird aber trotzdem das Bedürfnis nach Intimität/Privatsphäre, im Sinne von privat, gestillt. Wenn es Öffentliche und Private Räume gibt, braucht es keinen Halböffentlichen Raum als Puffer bzw. Begegnungszone. Würde man diesen „künstlichen Raum“ beispielsweise halbprivat bezeichnen (was das Gleiche wäre), würden die Leute den Begriff mit Sicherheit etwas seltsamer finden. Durch die klare Teilung, wie man sie aus Blockrand-Arealen kennt, ist auch klar, was wo passieren kann. Ich bin sogar der Meinung, dass die Schaffung des Halböffentlichen Raums einer der Faktoren ist, wieso der Öffentliche Raum nicht mehr so gut funktioniert. Um soviel Raum zu bespielen, braucht man auch die nötige Frequenz bzw. Dichte. In den neuen Stadtentwicklungsgebieten zeichnet sich die Tendenz ab, diesen Effekt durch die Dreidimensionalität nochmals zu verstärken. Das Einzelgebäude bietet so viele Optionen, von den privaten Freiflächen (Balkone, Loggien) über die halböffentlichen Freiflächen (Gemeinschaftsterrassen, Levels etc.) bis zum halböffentlichen Innenhof und eben noch den Öffentlichen Raum samt Erdgeschoß vor dem Gebäude, dass sich das Leben nicht mehr richtig bündeln und die Frequenz kanalisieren kann. Der Öffentliche Raum gewinnt, wenn das Einzelgebäude nicht alle städtebaulichen Funktionen übernimmt. Außer man erhöhte die Dichte dahingehend, dass alle Räume gefüllt werden können. Der Blockrand ist so klar und banal, weil guter Städtebau immer einfach sein sollte, die Gebäude ebenfalls, dass das Leben quasi in den Öffentlichen Raum gespült wird. Als Rückzugsort gibt es dann beispielsweise den privaten Innenhof. Und aus.
Der Wiener Block aus der Gründerzeit wäre - bezogen auf die gegenwärtigen Verhältnisse - sicher nicht der Maßstab. Man würde die Innenhöfe nicht mehr so dicht verbauen und mit Hoftrakten zustellen, dafür die Ränder, beispielsweise an den Ecken, höher staffeln. So grau und unbegrünt sich die Straßenzüge in der konsolidierten Stadt oftmals präsentieren, so grün können die Innenhöfe sein. Sicher gibt es auch schlechte Beispiele, bei denen aus heutiger Perspektive viel zu dicht gebaut wurde. Wie gesagt, der Blockrand würde sich dahingehend adaptieren lassen, ohne das Grundkonzept (Trennung von privat und öffentlich) über den Haufen werfen zu müssen. Eher würde ein neuer Boom einsetzen, wie man diese Grünoasen kreativ ausgestaltet. Der monoton und trostlos gestaltete Straßenraum hat weniger mit der Bebauungstypologie zu tun, sondern mehr mit dem ruhenden Verkehr, der sich einfach schwer reduzieren lässt.
Wieso möchtest du eine organisch gewachsene europäische Großstadt mit einer aufstrebenden asiatischen Weltstadt vergleichen!? Der Vergleich kann doch nur hinken. Ganz andere Strukturen, eine ganz andere Auffassung vom Städtebau. Shanghai befindet sind gegenwärtig in einer Art Gründerzeit, da waren wir schon vor 100 Jahren. Der Boom wird auch irgendwann zu Ende gehen. Und mit der Baugeschichte von Wien hast du dich anscheinend nicht so detailliert auseinandergesetzt, sonst würdest du wissen, dass seit der Gründerzeit (vielleicht noch im Roten Wien) kaum mehr Blockrand umgesetzt wird. Man muss ihn nicht aufbrechen, sondern eher wieder schließen. Wenn schon. Und die bestehenden gründerzeitlichen Strukturen wirst du ja nicht mit Gewalt aufbrechen wollen!? Die Nachkriegszeit und der Städtebau haben, bezogen auf die Stadtorganismus, viele (fast unlösbare) strukturelle Probleme geschaffen. Allein die Flächenversiegelung und, und, und. Egal wieviel Volumen dort noch hingewürfelt wird, die Areale werden nur schwer urbaner werden. Lauter kleine abgekapselte Inseln, die, wenn man sie oberflächlich betrachtet, in sich vielleicht funktionieren mögen, aber aus der Sicht einer Stadt, die von Konformität und Zusammenhängen lebt, kaum greifbar erscheinen. Entweder man wohnt dort, oder man hat mit der "Siedlung" nichts am Hut. Und umgekehrt haben die Leute die dort wohnen, wenig mit der Stadt am Hut.
Man sieht schon an dem Beispiel, wie schwer du dir tust, den Städtebau zu erklären. Da stehen halt so sieben Häuser versetzt, und dazwischen ist Öffentlicher Raum, und Bäume wachsen aus dem Boden. Die Geschäfte sind hochwertig. Etc. Ein weiterer Punkt wäre: Wie sieht die Bebauung rund um dein Beispiel aus? Ist das eine durchgehende Erscheinung, oder wird die Variante durch gewisse Strukturen begrenzt/getragen!? Und wieso sollte das bei der Blockrand-Typologie nicht funktionieren? Funktioniert ja!
Schon mal was von Plätzen, die von geschlossener Bebauung gerahmt werden, gehört? Wie gut die erst funktionieren. WOW. Im Erdgeschoß hat man die Geschäfte, die ja speziell in gründerzeitlichen Arealen ästhetisch hochwertig und gut frequentiert sind. Auch Bäume kann man ganz normal pflanzen, sofern man Platz schafft und die Ursache, nämlich den ruhenden Verkehr, reduziert. Dazu muss man die Gebäude nicht vom Straßenraum abrücken und unattraktive Grünflächen schaffen. Ein Konzept aus den 60/70er Jahren. Du beschreibst den Stil in Shanghai als smart, so wie man ihn beispielsweise in London oder New York finden würde. Damit meinst du nur die Ästhetik, aber sicher nicht den Städtebau. Weil die von dir beschriebene städtebauliche Konfiguration wird man in der gewachsenen Stadt kaum finden. Klar, man kann als boomende asiatische Stadt, speziell aus ästhetischer Sicht, das Aussehen der großen historischen Städte kopieren. Anderseits wird es Gründe geben, wieso New York, London oder auch Wien nicht das moderne Shanghai kopieren, nicht wahr!? Es wäre absurd - eine Kopie einer Kopie.
Grundsätzlich hätte ich kein Problem mit einer feinen innerstädtischen Skyline. Der Cluster am Donaukanal existiert ja bereits. Auch könnte ich mir einen eleganten Cluster rund um den Stadtpark vorstellen, damit hätte ich überhaupt kein Problem. Bei dem Punkt mit den LED Fassaden muss ich dann aber leider aussteigen. Beim Beispiel Donaucity beginnt deine Argumentation löchrig zu werden und du widersprichst dir selbst. Die Donaucity ist als Standort nicht attraktiv genug, weil sie wie außerhalb der Stadt wirkt. Aha! Na dann stell dir mal die Frage, woran das liegen könnte!? Bingo. Weil die Bebauung rund um die Donaucity städtebaulich meilenweit von den gewachsenen Struktur entfernt und eher in dem Bereich angesiedelt ist, den du hier, in diesem Thread, als erstrebenswert darstellst. Feht der gewohnte Rahmen, wird aus funky recht schnell unfunky. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wir brechen die gewohnten Strukturen in der Kernstadt ab, um dort eine neue Skyline zu errichten, oder wir schaffen gleichwertige Strukturen um die neue (schon existierende) Skyline, in dem Fall die Donaucity, einzubetten. Entscheide selber was besser/logischer wäre.
Teilweise kann ich dir bei diesem Punkt zustimmen. Ich denke auch, dass es oft besser wäre, beim Thema Neubau etwas progressiver zu sein. Damit meine ich nicht, dass man in ein gründerzeitliches Ensemble einen unpassenden schreienden Neubau hineinfetzen soll, genau das Gegenteil ist der Fall (die smarte, ich nenne sie zeitlose New York // London // Wien Ästhetik wäre zu bevorzugen), sondern eher die Qualität der Neubauten im Vordergrund stehen sollte. Dann müsste man nicht um jedes Gebäude kämpfen. Diese Vorgehensweise führt nicht selten zu bizarren Lösungen, die weder die Bewahrer noch die Progressiven befriedigen. Mit dem Wort „Zerstören“ komm ich aber nicht ganz klar. Außerdem, und hier sehe ich das größte Problem, gehen mit jedem Altbau nicht nur Konformität (wie gesagt, steht die Ästhetik beim Neubau nur selten im Mittelpunkt = auch in der Bevölkerung besteht nur ein geringes Interesse an Ästhetik = die gebaute Realität), sondern auch die städtebaulichen Vorzüge flöten. Man reißt ja nicht nur das Gebäude ab, mit ihm auch die Höhe des Erdgeschoßes bzw. die Nutzung, die Raumhöhen, die Gliederung etc. Es scheint teilweise unmöglich, aus städtebaulicher Sicht äquivalenten Ersatz zu produzieren. Woran es liegt, kann ich nicht beantworten. Ich entwickle keine Immobilien.
Du beschreibst Wien um die Jahrhundertwende. Ich weiß zwar nicht, ob die Stadt damals cool und jung war, aber sicher eine kulturelle Hochburg, und die Stadt der Denker. Wie weiter oben erwähnt, befindet sich Shanghai gegenwärtig vermutlich in einer ähnlichen Epoche. Nur das heute andere Maßstäbe und Werte zählen. Die von dir geforderten Elemente werden sich in Wien nur schwer umsetzen lassen. Wo, in zentraler Lage, möchtest du diese Projekte umsetzen!? Gründerzeitliche Areale komplett bzw. teilweise ersetzen? Und dort, wo man es tun könnte, fehlen die Strukturen (also auch der Blockrand), damit die neuen Elemente im Kontext wirken können. Das hast du vorher beim Beispiel Donaucity selbst angeführt. Und manch einer würde sich in diesen Lagen wieder Blockrand wünschen. So what!?
Das heißt Stadt- und Raumplanung sind komplett überbewertet!? Wenn du die Anordnung der Gebäude und Straßen, sie stehen in Beziehung und erst dadurch lassen sich Räume definieren, als unwichtig bezeichnest, dann ist das Wort „Urbanität“ einfach nur ein Buzzword. Wie definierst du Urbanität? Anhand der Frequenz im Öffentlichen Raum!? Wieviel Einwohner hat Shanghai? 15 Millionen? Bei diesen Menschenmassen könntest du Kraut und Rüben hinstellen, und alles wird trotzdem lebendig sein und funktionieren. Außerdem solltest du dann mit der Entwicklung in Wien eh relativ zufrieden sein. Seit Jahrzehnten, mit ein paar Ausnahmen, werden die Räume zumeist so gestaltet.