"Keine IBA ohne Spielgeld"
BZ-INTERVIEW mit Uli Hellweg, Geschäftsführer der IBA Hamburg, über den Erfahrungsaustausch mit der IBA Basel.
BASEL. Allmählich wird es ernst. Die IBA Basel 2020 hat erste Projektideen gesammelt und muss nun dem Sprung von der Vision in die konkrete Umsetzung schaffen. Diesen Prozess begleitet eine Veranstaltung im Architekturmuseum, bei der auch Uli Hellweg, der Geschäftsführer der IBA Hamburg, auftritt. Die IBA Hamburg ist für das Projekt im Eurodistrict Basel eine Art Seniorpartner. BZ-Redakteur Willi Adam sprach mit Uli Hellweg darüber, was eine IBA von einer anderen übernehmen und was Basel von Hamburg lernen kann.
BZ: Herr Hellweg, die IBA Basel ist noch dabei, ihre eigene Identität zu entwickeln, während die Partner-IBA in Hamburg auf die Zielgerade einbiegt. Was kann Basel von Hamburg lernen?
Hellweg: Jede IBA muss sich neu erfinden, jede IBA muss Innovation und Experiment darstellen. Deshalb kann keine IBA einer anderen IBA Patentrezepte mit auf den Weg geben. Aber es gibt eine Grundphilosophie, die besagt, dass eine IBA immer dann erfolgreich sein kann, wenn sie drei Dinge beachtet. Erstens: Eine IBA muss sich immer auf den Ort Beziehen, denn sie ist ja keine Messe, sondern ein Stadtentwicklungsprozess. Zweitens muss eine IBA Dinge bewegen, die von internationaler Bedeutung sind. Und das Dritte ist, dass jede IBA besondere Governance-Strukturen benötigt. Man kann einen solchen Prozess nicht mit dem üblichen Verwaltungsapparat bewerkstelligen. Ein IBA-Prozess braucht einen Motor und dieser Treiber muss akzeptiert werden – er muss auch finanziell ausgestattet werden.
BZ: Das ist bei der IBA Basel besonders schwierig, weil man es mit drei Verwaltungsstrukturen zu tun hat, und weil gleich drei Partner für sich einen IBA-Prozess erfinden müssen, der in ihre jeweilige politische Kultur passt.
Hellweg: Das ist doch gerade das Spannende an der IBA Basel: Eine der Voraussetzungen, die typischerweise eine IBA haben muss, ist in diesem Fall ein zentrales Thema. Das ist hoch innovativ. Wir haben in Hamburg auch ganz unterschiedliche Akteure – die Bezirke stehen für die kommunale Ebene, vergleichbar etwa mit den Aufgaben der Stadt Lörrach im Rahmen der IBA Basel. Und die Hansestadt Hamburg steht für die Landeskompetenz. In Basel stellt sich das natürlich in viel stärkerem Maße dar. Das wichtigste Anliegen der IBA Basel, diese Dinge im trinationalen Zusammenhang innovativ anzugehen, ist von zentraler Bedeutung. Die Frage ist doch, wie wir im Europa der Zukunft zusammenarbeiten wollen. Das ist ein hochspannendes Thema – neben der Frage, wie so eine Region ihre Raumentwicklung koordinieren kann.
BZ: Dieser Ansatz, über die Grenzen hinweg gemeinsame Projekte zu entwickeln, fasziniert in der Region die öffentlichen Akteure durchaus. Die Schwierigkeit ist, dabei die Bevölkerung mitzunehmen.
Hellweg: Das ist für jede IBA eine besondere Herausforderung. Einerseits gilt es, mit guten Projekten aufzuwarten. Dafür wird gerne der Begriff "Leuchtturmprojekt" verwendet. Gerade wir an der Waterkant wissen jedoch, dass ein Leuchtturm zunächst einmal aus der Ferne wahrgenommen wird, dass aber direkt beim Leuchtturm von diesem Licht nicht allzu viel zu sehen ist. Eine IBA muss es natürlich schaffen, vor Ort den Nutzen der Projekte zu vermitteln und die Menschen von diesem Nutzen zu überzeugen. Der Spagat zwischen Lokalität und Internationalität ist charakteristisch für eine IBA.
BZ: Im Dreiland fragt man sich oft, warum in Hamburg nicht das weithin bekannte Projekt der Hafen-City, sondern die Entwicklung der eher randständigen Stadtteile Wilhelmsburg und Veddel zum Gegenstand der IBA gemacht wurden.
Hellweg: Im Augenblick erleben wir eine großartige Renaissance der Städte, gleichzeitig erleben wir auch, dass die Städte dem Bedarf an Wohnungen und Arbeitsplätzen gar nicht mehr gerecht werden können. Anders als vor 50 Jahren zieht der Mittelstand nicht mehr an die Peripherie, er zieht wieder in die Innenstädte. Dadurch entstehen Tendenzen, dass die unteren Einkommensschichten aus den Zentren verdrängt werden. Um diesem Prozess vorzubeugen, hat man in Hamburg gesagt, es genügt nicht, die alten Hafenflächen für eine neue Nutzung zu verwenden. Wir müssen zusätzlich die inneren Stadtquartiere selbst umbauen. Im Stadtumbau liegen die großen Potenziale, zumal die Konversionsflächen, also alte Industrie- und Hafenareale irgendwann auch verbraucht sein werden. Der Untertitel der IBA Hamburg lautet, "Stadt neu bauen". Wir wollen aus vernachlässigten Stadtteilen wieder attraktive Stadträume machen.
BZ: Lässt sich das auf Basel übertragen?
Hellweg: Bei der IBA Basel ist es meiner Meinung nach noch etwas zu früh, um zu sagen, wo genau solche Flächenpotenziale liegen. Beim IBA-Forum im November kamen viele gute Ideen auf den Tisch. Jetzt ist die IBA Basel gut beraten, diese Vorschläge auszuwerten und mit dem Selbstverständnis dieser IBA abzugleichen. Wenn Ende dieses Jahres dann die ersten Projekte mit dem IBA-Label ausgestattet sein werden, wird man die IBA Basel schon klarer verorten können.
BZ: Verliert sich die IBA Basel nicht im trinationalen Raum? Muss sich die IBA Basel räumlich nicht stärker konzentrieren?
Hellweg: Diese Empfehlung würde ich nicht abgeben. Nehmen wir das Beispiel der vielleicht erfolgreichsten IBA, der IBA Emscherpark. Sie hat in einem Gebiet in der Größe von 70 auf 14 Kilometer hervorragend funktioniert, weil die einzelnen Projekte exemplarisch für die Umwandlung alter Industrieflächen standen. Die Größe der Fläche ist kein Hindernis.
BZ: Sie operieren mit den Begriffen "Metrozonen" und "Kosmopolis". Was meinen Sie damit?
Hellweg: Mit "Metrozonen" beschreiben wir Gebiete, die bisher isoliert waren und nun für die innere Stadtentwicklung gewonnen werden. Die Renaissance der Stadt spielt sich nach unserer Sichtweise in der Stadt ab. Deshalb müssen wir bisher vernachlässigte innere Gebiete für den Stadtumbau gewinnen. "Kosmopolis" meint eher einen Prozess, nämlich die Stärke der Stadt aus ihrer gemeinsam gelebten Vielfalt zu entwickeln.
BZ: Unterm Strich geht es also um ein Wechselspiel zwischen Raumentwicklung und gesellschaftlichen Prozessen. Bei der IBA Basel gibt es oft die Kritik, dass hier Prozesse zu sehr im Zentrum der IBA stünden, dass aber das Bauen zu kurz komme. Man fragt sich im Raum Basel, wo denn das "B" abgeblieben sei, das für das Bauen steht.
Hellweg: Das kennen wir. Im Jahr unserer Zwischenpräsentation hat einmal eine große überregionale Zeitung einmal einen großen Artikel über uns mit dem Begriff "Die unsichtbare IBA" überschrieben. Mittlerweile haben wir 60 Baustellen – so viele, dass es schon wieder Unmut wegen der Belastungen gibt. Also: Das Bauen kommt ab einem bestimmten Punkt automatisch. Im Raum Basel sollte man sich zu diesem Zeitpunkt noch keine Sorgen machen. Das sollte man in ein paar Jahren bewerten. Wenn die IBA Basel 2020 etwas vorweisen will, dann sollte sie 2014 oder 2015 konkrete Bauprojekte haben – nicht schon im Jahr 2012.
BZ: Wer soll das bezahlen? Wie läuft das in Hamburg?
Hellweg: Ich bin überzeugt davon, dass es keine IBA ohne gesicherte Finanzierung gibt. Bei uns stellt die Hansestadt Hamburg 90 Millionen Euro zur Verfügung. Weitere 20 Millionen Euro haben wir aus anderen Töpfen, einschließlich der Europäischen Union akquiriert. Eine Lehre ist: Wenn die Träger der IBA eine Initialinvestition leisten, hat die IBA selbst gute Chancen, zusätzliche Mittel zu erschließen – auch im privaten Bereich. Wir lösen mit den öffentlichen Investitionen zusätzlich 625 Millionen Euro an privaten Investitionen aus.
BZ: Bei der IBA Basel fehlt es eher an der öffentlichen Anschubfinanzierung. Selbst die Administration ist bisher nur für die Lancierungsphase finanziert.
Hellweg: Ich kann das nicht beurteilen. Vielleicht gibt es in der besonderen grenzüberschreitenden Situation Wege, die öffentliche Anschubfinanzierung zu ersetzen oder die Förderung anders zu lösen. Karl Ganser, der Geschäftsführer der IBA Emscherpark, hat einmal einen Satz geprägt, den ich nur unterstreichen kann: Es gibt keine IBA ohne Spielgeld.
Die Veranstaltung: "IBA-Lounge. Gespräche zur neuen Stadt" stellt Erkenntnisse der IBA Hamburg in anderen Städten zur Diskussion. Bei der Podiumsdiskussion im Schweizerischen Architekturmuseum (SAM) am Steinenberg 7 in Basel diskutieren am Donnerstag, 23. Februar, von 18 Uhr an Akteure der IBA Basel mit Kollegen aus Hamburg. Uli Hellweg hält ein Impulsreferat.
Quelle:
www.badische-zeitung.de