Young Designers Mall, ydm, Riehenring 190, Basel
Schnelles Bauen im Zeitalter des Containers
Von Katrin Hafner. Tages-Anzeiger 09.09.2009
Container sind mobil, günstig, stylisch und immer beliebter als Bauelemente. In Basel verkaufen Jungdesigner ihre Ware darin, in Zürich schaffen Kreative in der Kiste die Welt neu.
Warenhaus aus echten Containern: Junge Designer verkaufen hier in Basel ihre Produkte.
Bild: Sabina Bobst
Und fertig ist das Kaufhaus der Gegenwart! Mitten in der Stadt Basel, auf der Industriebrache Erlenmatt, auch als nt-Areal bekannt, steht die Young Designers Mall, kurz ydm. Sie mischt seit wenigen Tagen die Architektur- und Designszene auf. Neun von Meerwasser und Sonne verwitterte und von Hafenkränen verbeulte Container in Blau- und Rostrottönen, drei pro Stockwerk, stehen da auf sechs Parkplätzen. Eine Neuheit in mehrfachem Sinn.
Erstmals bieten darin rund 30 Jungdesigner aus der Schweiz, aber auch einige aus dem Ausland Mode, Accessoires und Kleinmöbel an. Der Containerbau ist ein modulartiges Warenhaus der Alternativ- und Trendlabel. Bonhom etwa verkauft Fair-Trade-Kleider aus Biobaumwolle, Alain Jost Lampen und Möbel unter dem Label Brandnewdesign. Neu ist auch das Geschäftsmodell: Der Basler Designer Sacha Roche, 33, Erfinder und Chef der ydm, vermietet einzelne Tablare oder ganze Container; die Kosten sind tief und richten sich nach den Arbeitsstunden, die der Einzelne leistet. Ein Beispiel: Wer als Verkäufer vor Ort 3,3 Stunden pro Monat arbeitet, zahlt 33 Franken für ein Tablar.
Von der Konkurrenz inspiriert
Die knappen Platzverhältnisse, pro Container sind bis zu 14 verschiedene Labels ausgestellt, sollen Synergien und Mehrwert generieren: «Man lässt sich von der Konkurrenz inspirieren und profitiert von Kunden, die eigentlich wegen eines anderen Designers gekommen sind», sagt Susann Brütsch vom Basler Label Airasmus.
Wirklich neu ist vor allem das Gebäude an sich. Es ist die konsequenteste und authentischste Form von Containerbau in der Schweiz. Die ausrangierten Schiffscontainer sind absolut unverändert, weder isoliert noch mit Fenstern oder Heizung ausgerüstet. Sie stehen so da, wie sie einst als Frachtbehälter über die Weltmeere gondelten. Das «Logistikfeeling», wie es Sacha Roche nennt, strömt durch jede Ritze zwischen den Stahlbehältern. Roche hat sie von Schweizer Lieferanten für 600 bis 2000 Franken pro Stück gekauft. «Es sind Schrottcontainer», sagt er. Und das tönt natürlich gut.
Container pur, ohne Komfort
Jetzt erleben sie eine Wiedergeburt vom Feinsten; Recycling der postindustriellen Art. In nur fünf Stunden sind sie von vergessenen Riesenkisten zu einem architektonisch beachtlichen Werk zusammengebaut worden. Clever versetzt, mit eigens konzipierten Stützen verbunden, bilden sie 18 Räume die Hälfte ist mit Originalcontainertüren versehen, die andere bilden mit Maschendrahtzaun geschlossene Halbräume. Beim bekanntesten Containerturm unseres Landes, dem Flagshipstore des Taschenfabrikanten Freitag in Zürich, dienen die aufgetürmten Container als Hülle für einen mehr oder weniger konventionellen Innenausbau mit Heizung et cetera. Die Basler Young Designers Mall dagegen kommt abgesehen vom Einbau einer Treppe ohne bauliche Veränderung aus. Tablare, Kleiderstangen und Lichtröhren sind mit starken Magneten an die Wände montiert, im Winter, wenn es zu kalt wird, schliesst das Kaufhaus einfach.
Puristisch mutet das Ganze an, simpel und bestechend. Der Bau hat Stil trotz oder wegen der fehlenden Designeingriffe. Es ist nicht mehr als eine smarte Wiederverwendung der Megabehälter, die als eine der zentralen Erfindungen unserer globalisierten Konsumgesellschaft gelten, umfunktioniert zu einem Ort des Konsums. Irritierend und bezaubernd zugleich: Es riecht nach Salz, nach Meer in diesem Shop der Gegenwart, zarte Erinnerung an die Vergangenheit der Container. Sacha Roche siehts pragmatisch: «Mir gehts nur um Effizienz.» Er suchte nach günstigem Raum, der schnell zu generieren, einfach zu nutzen und mobil zu verwenden ist. «In zwei Tagen könnte ich den Bau prinzipiell um 20 Container erweitern», meint er, kratzt sich am Kopf, lächelt leise. Oder wieder abbauen. Voraussichtlich in vier Jahren muss er dies; dann soll hier ein neues Stadtquartier aus dem Boden gezaubert werden. Ydms stehen bis dahin möglicherweise bereits in anderen Metropolen, Roche hat Interessenten aus der ganzen Welt.
Der Ateliercontainerbau Zürichs
Besucher aus der ganzen Welt tummeln sich derzeit auf dem Binzareal in Zürich. Sie bestaunen und fotografieren das Basislager, ein Containerprojekt der modifizierten Art. Im April zogen hier die ersten Kreativen ein, im Juni ging der zweite Block auf, neu beleben im dritten Block Musiker, Steinbildhauerinnen und sonstwie geräuschvoll arbeitende Menschen die Container. Die temporäre Ateliersiedlung im Räffelpark wird im Oktober mit einem letzten Block komplettiert. Insgesamt schaffen dann in 135 Containern fast doppelt so viele Menschen zu einem Mietpreis der (mit 400 Franken pro Monat) weit unter den stadtüblichen Ansätzen liegt. Auch dies eine Zwischennutzung eines Industriegeländes; die befristeten Mietverträge laufen bis 2011, ab dann will Swiss Life, die Grundbesitzerin, auf dem Gelände einen festen Bau errichten.
Mit 25 Quadratmeter Fläche sind die Ateliers grösser als die Schiffscontainer, auch handelt es sich um neu angefertigte Elemente und nicht um Originalcontainer wie etwa bei der Basler Young Designers Mall, oder wie sie die Kunstgruppe Etoy verwendet; ihre Container stehen gleich neben dem Basislager.
Wer im Basislager anzutreffen ist, schwärmt. Über die tiefe Miete, die Nähe zu anderen Kreativen, die Möglichkeit, Kunden im eigenen Raum zu empfangen, der nach etwas aussieht. Nach Lifestyle eben, nach Zeitgeist, nach Tempo. Touchiert von einem Naturschutzgebiet, wo Frösche quaken, stehen die auf drei Stockwerken gestapelten Kuben für urbanes, zeitgemässes Leben.
Vom Flüchtlingslager zur Frauenexpo
Container werden freilich auch für weniger sexy Angelegenheiten genutzt. Jüngst war eine Unterkunft für Asylsuchende in den Schlagzeilen: In Zumikon lebt eine somalische Flüchtlingsfamilie seit vier Jahren auf engem Raum in Containern.
Er ist eben nicht nur cool, er ist in erster Linie sehr praktisch, wenn Boden und Geld knapp sind, der Container. Und so eignet er sich als standortungebundener Schaukasten in XXL-Format: Architektin Zaha Hadid entwarf für den französischen Modekonzern Chanel den Chanel Mobile Art Pavilion, den Karl Lagerfeld in Containern verpackt auf Welttournee schicken wollte. Das Projekt scheiterte an der Klippe namens Wirtschaftskrise.
Die Idee des mobilen Museums oder Verkaufsraums jedoch ist omnipräsent. Derzeit tourt Puma City um die Welt: In 24 Frachtcontainern, dreistöckig und gegeneinander verschoben aufgestellt, werden die Sneakers vermarktet. In der Schweiz ist demnächst eine kleinere Aktion zu bewundern. Nach über 50 Jahren soll es wieder eine nationale Frauenausstellung geben. Im Herbst startet das Vorprojekt; ein Container wird durchs Land tingeln. Erste Station: Zürich, vor der Fraumünsterkirche, 29. September 2009.