Wohnen wie in römischen Häuserblocks
Von Peter de Marchi.
Sollen über den alten Ruinen von Augusta Raurica neue Wohnungen gebaut werden? Grundsätzlich wäre das möglich – ohne das wertvolle römische Erbe zu zerstören.
Modellbild der neuen Wohnüberbauungen in Augusta Raurica. (Bild: Andri Seipel/Kanton BL)
Die neuen Wohnungen sollen die gleichen Dimensionen haben wie die alten römischen Häuserblocks, Insulae genannt. (Bild: Andri Seipel/Kanton BL)
Der Antrag des Prattler SVP-Landrates Urs Hess ging schlank durch. Am 15. Januar stand der Spezialrichtplan Salina-Raurica auf der Traktandenliste des Landrates und Hess hatte gefordert, das Bauen über den Ruinen von Augusta Raurica solle nicht kategorisch verunmöglicht werden. Der Rat folgte ihm mit 61 gegen 20 Stimmen. Hess sagt klar, von dem antiken Gemäuer, das heute noch unter der Erde schlummert, dürfe nichts zerstört werden. Der Kanton aber habe im Augster Oberdorf viel Land für viel Geld gekauft. Es sollte nicht verboten sein, Visionen zu entwickeln, wie in Augusta Raurica Wohnungen gebaut werden könnten.
Bauen über den Ruinen, die Idee ist nicht neu. Hans-Georg Bächtold, bis vor Kurzem Chef des kantonalen Amtes für Raumplanung, hatte sie im vergangenen Oktober wieder aufs Tapet gebracht, in der Architekturzeitschrift «Tec 21». Die Idee hat überzeugt, bis tief ins linke Lager hinein. Der Prattler SP-Landrat Ruedi Brassel etwa betont, nichts sei beschlossen worden, nur abgeklärt solle werden. Der Augster Gemeindepräsident Andreas Blank hat schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass sich das Oberdorf doch noch baulich entwickeln kann. «Für die Gemeinde ist es sehr wichtig, dass diese Option offen bleibt.» Alex R. Furger, Leiter von Augusta Raurica, will sich im Moment nicht gross äussern. Er könne sich vorstellen, dass es interessante Ansätze für ein Nebeneinander von Archäologie und Bauen geben könnte, fügt aber an, dass solche Pläne eng mit der Archäologie entwickelt werden müssten. Kulturdirektor Urs Wüthrich sagt, es gehe darum, Kosten und Nutzen, Chancen und Risiken abzuwägen.
Wer diese Güterabwägung vornehmen wird, steht noch nicht definitiv fest. Mit von der Partie sein werden mit grösster Sicherheit Augusta Raurica und die Gemeinde Augst, das Amt für Raumplanung und das Amt für Liegenschaftsverkehr. Gerhard Läuchli, Leiter des Amtes für Liegenschaftsverkehr, hat sich bereits Gedanken darüber gemacht, in welche Richtung die Planung im Augster Oberdorf laufen könnte, sollte tatsächlich über den römischen Ruinen gebaut werden.
Die entscheidenden Weichen müsste der Landrat stellen, sagt Läuchli. Er müsste in einem ersten Schritt grundsätzlich grünes Licht geben und in einem zweiten Schritt das Land in Augusta Raurica, das der Kanton im Laufe der Jahre gekauft hat, vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen überführen. Die Bauparzellen würde der Kanton dann im Baurecht abgeben, auf 50 Jahre oder auf 99 Jahre. Zwei oder drei Generationen später könnten dann die Weichen wieder neu gestellt werden, könnten neue Teile von Augusta archäologisch erforscht werden. Darin sind sich alle einig: Tief im Boden drin, sind die römischen Schätze bestens konserviert, alles könnte so oder so nicht in einer Generation erforscht werden.
Läuchli hat, als Denkanstoss, auch die rund sechs Jahre alten Ideen aus dem Archiv reaktiviert. Es könnte bestimmt nicht mehr wild auf dem Areal gebaut werden. Als Struktur würden die alten römischen Insulae dienen, also die Häuserblocks. Die neuen Strassen würden entlang den römischen Strassen gezogen. Gebaut würden Wohn- und Geschäftssiedlungen, die mit Mikropfählen von rund sechs Zentimeter Durchmesser im Boden verankert würden. Aus archäologischer Sicht wäre dies unproblematisch. Läuchli will keine gesichtslose Streusiedlung, sondern spricht von «hoher Wohnqualität in einem historischen Umfeld». Es gehe darum, den Respekt vor der historischen Substanz und den Entwicklungsanspruch der Gemeinde unter einen Hut zu bringen.
Quelle: bazonline 10.02.09