Streit um die letzten Entwicklungsgebiete in Zürich
http://www.nzz.ch/nachrichten/zueri...entwicklungsgebiete_in_zuerich_1.4790959.html
Bei der Planung für das Entwicklungsgebiet Manegg haben linke und grüne Gemeinderäte der Bauherrschaft einige Zugeständnisse abgerungen – und sie zwingen nun die Projekte «Westlink» in Altstetten und «Hardturmareal» im Kreis 5 in eine Zusatzrunde.
Adi Kälin
Dass sich die Tonart im Parlament kurz vor den Wahlen etwas verschärft, ist verständlich – vor allem wenn es um eines der zentralen Wahlkampfthemen geht, das Bauen und Wohnen in Zürich. Dennoch hat, was am Mittwoch geboten worden ist, das übliche Mass gesprengt. Man warf sich gegenseitig «Mauschelei», «Geheimverhandlungen» und gar «Erpressung» vor, und auch die Kritik am Stadtrat war deutlich heftiger als gewohnt. Daneben aber gab es einige überraschende Wendungen, etwa eine vierzigminütige Debatte über ein Geschäft, das gar nicht traktandiert gewesen war – den Gestaltungsplan für das Entwicklungsgebiet Manegg.
«Künftiger Minimalstandard»
Zehn Minuten vor Beginn der Ratsverhandlungen hatte die vorberatende Kommission ihre letzte Sitzung zur «Manegg» abgehalten und mit grosser Mehrheit Zustimmung beschlossen. Darauf hätte man lange Zeit nicht mehr gewettet, denn SP, AL und Grüne hatten sich mit einer Motion gegen die Planung gewandt und «Nachbesserungen» in den Bereichen preisgünstiges Wohnen, Energie und Verkehr verlangt. Hinter den Kulissen hatten offenbar Verhandlungen zwischen Bauherrschaft und Exponenten der Linken stattgefunden, die zu weiteren Zugeständnissen der Grundeigentümer führten.
Von linker und grüner Seite war natürlich hauptsächlich Jubel und lautes Klopfen auf die eigenen Schultern zu hören. Das mutige Insistieren einer Ratsmehrheit von Grünen, Alternativen und SP habe zu den Verbesserungen geführt – was dem Hochbaudepartement von Kathrin Martelli in jahrelangen Verhandlungen nicht gelungen sei, meinte etwa Balthasar Glättli (gp.). Die Marazzi AG, die das Gebiet im Auftrag der Grundbesitzerin Sihl MIAG entwickelt, hatte sich schon zu Beginn der Verhandlungen in einer Green Charta auf erhöhte ökologische Standards verpflichtet. Jetzt legte sie zwei Papiere vor, in denen eine weitere Reduktion der Parkplatzzahl und vor allem ein 30-prozentiger Anteil an gemeinnützigen Wohnungen versprochen werden.
Der überraschende Erfolg weckte auf linker und grüner Seite neue Begehrlichkeiten. Es handle sich um ein klares Signal ans Hochbaudepartement, dass die jetzt erreichten Ziele «künftig zum Minimalstandard jedes neuen Gestaltungsplans gehören müssen», meinte Balthasar Glättli. Und Niklaus Scherr (al.) sagte, was längst offensichtlich war: «Der Gemeinderat hat sich jetzt als Akteur in die Stadtentwicklung zurückgemeldet.»
«Rechtsstaatlich bedenklich»
Deutlich weniger Freude herrschte auf bürgerlicher Seite. FDP, SVP und – etwas überraschend – auch CVP und EVP wandten sich scharf gegen die «Mauscheleien» und «Geheimverhandlungen» der Linken. Die Zugeständnisse der Bauherrschaft seien offensichtlich erst auf Druck der SP zustande gekommen. Das Vorgehen, das an Nötigung grenze, sei rechtsstaatlich bedenklich, verantwortungslos und schade letztlich auch dem Image der Stadt. Es stehe Mitgliedern des Gemeinderats nicht an, mit Privaten zu verhandeln. Das sei die Aufgabe des Stadtrats.
Stadträtin Kathrin Martelli wehrte sich gegen die Vorwürfe, sich zu wenig eingesetzt zu haben, und ging ihrerseits zum Angriff über: Man habe ihr im Zusammenhang mit dem Kongresszentrum eine zu grosse Nähe zu Bauherren vorgeworfen. Sie könne aber sagen, dass sie sich nie in Abhängigkeiten von privaten Projektentwicklern gebracht habe. Sie rief Linke und Grüne auf, vor der Verhandlung im Rat transparent zu machen, welche Zugeständnisse sie machen mussten, um die 30 Prozent gemeinnützigen Wohnungsbau zu erreichen. «Sagen Sie uns, welche Abhängigkeiten Sie eingegangen sind.»
Fragezeichen zu «Westlink»Für eine weitere überraschende Wende hatte der Stadtrat selber bei der Vorlage zur Überbauung «Westlink» der SBB beim Bahnhof Altstetten gesorgt. Weil absehbar war, dass der Gemeinderat sich gegen den Verkauf eines Stücks Land an die SBB wenden und damit das baureife Projekt gefährden könnte, zog der Stadtrat seine Vorlage zurück – zum Ärger der Linken, die sich der Chance beraubt sahen, über die Rolle der SBB in der Stadtentwicklung zu debattieren. Der Gemeinderat hatte auch hier noch günstige Wohnungen und mehr Ökologie ins Projekt packen wollen.
Wie es mit «Westlink» weitergeht, ist nach dem Rückzug offen. Stadtrat Martin Vollenwyder will nochmals mit den SBB verhandeln, machte aber auch klar, dass eine Verzögerung mit grossen Risiken verbunden wäre. Unter anderem könnten die SBB Schadenersatzansprüche geltend machen, und der Bau der Endschleife fürs neue Tram Zürich-West auf dem gleichen Areal wäre gefährdet. Vollenwyder will das städtische Land nun vorläufig nicht verkaufen, sondern mit den SBB in eigener Kompetenz eine nachbarrechtliche Vereinbarung abschliessen.
Volksabstimmung droht
Auch beim Projekt «Hardturmareal» auf den ehemaligen GC-Trainingsplätzen drohte ein Stopp wegen eines Stücks Land, das die Stadt abtreten will. AL und Grüne waren mit ihrem Nein aber allein. Die SP kritisierte zwar auch, dass der Stadtrat das Parlament nicht einbezogen habe. Es sei nun aber zu spät für Änderungen, weil der Gestaltungsplan rechtskräftig und eine Baubewilligung erteilt sei, sagte Dorothea Frei (sp.). Mit 92 zu 21 Stimmen sagte der Rat Ja zum Landverkauf. Diesen wollen nun allerdings Grüne und Alternative noch mit einem Referendum verhindern.